Jun 23, 2007

Aus dem Fernen Osten

Blogs im Allgemeinen und in Taiwan


Einige Anmerkungen zu Blogs im Allgemeinen, nun, da ich vor meinem eigenen sitze.

Oder, sagen wir, zu Blogs in China.

Denn scheinbar ist das nicht das gleiche. Schaut nur auf meinen Blog! Bei dem bin ich mir nicht sicher, dass ihn ÜBERHAUPT jemand liest... (gut, auf der anderen Seite gibt es so selten Neues zu lesen, dass sich die komplizierte Suche nach der URL gar nicht zu lohnen scheint. Ich verstehe das schon, es tut mir ja auch leid.)

Hier liegt aber vielleicht auch schon ein Ansatz zum Verständnis des Problems. Ich betrachte meinen Blog als ein Ventil, als eine alternative Art der Veröffentlichung dessen, das ich veröffentlichenswert finde, in erster Linie in meinem Fall also (sogenannte) Gedichte, Songtexte, politische Miniaturen etc.

Das wird in China nicht unbedingt so gehandhabt. Zum einen aufgrund der Freiheit, die das Internet bietet, der Anonymität, die auch ein Verfassen kritischen Inhaltes ermöglicht, v.a. wenn dies in den Printmedien nicht möglich ist. Der andere Vorteil der Anonymität ist, dass man viel persönliches berichten kann, ohne dazu reden zu müssen. So kann man die Aufmerksamkeit seiner Bekannten bewusst auf ein Thema lenken, das einem eventuell unangenehm wäre, unter vier Augen zu bereden.

Und dass ja niemand glaubt, dies wäre ein Randphänomen!

Ich selbst bin davon betroffen, wie man so schön übertrieben sagt. Meine Freundin schreibt Blog. Und ich habe mir abgewöhnt, diesen besuchen zu wollen, denn ich mag nicht gerne online Botschaften übermittelt bekommen. Gerade dann nicht, wenn wir uns mal ein wenig in den Haaren hatten. Und dann ein wenig verschlüsselter Text online und für jeden sichtbar erscheint. Natürlich verstehen ihre Freunde, was damit gemeint ist. Das ist mir dann doch ein wenig peinlich, wenn ich diese das nächste Mal treffe. Sie könnten ja über alles bestens unterrichtet sein.

Natürlich sieht das meine Freundin nicht so wild. Sie sagt, es würde ja kaum jemand ihren Blog lesen (im Vergleich zu meinem Blog wäre das jedoch ein unglaubliches Understatement...). Man sieht es ja auch an den Kommentaren und deren Anzahl.

Viele Chinesen betrachten ihr Blog als eine Art Tagebuch. D.h. die Form des Inhalts ist nicht einmal von ausschlaggebender Bedeutung (ganz im Gegensatz zu mir natürlich!). Wichtig ist das Gefühl, wahrgenommen zu werden. Und dafür gibt es dann die Kommentare. Würde man die Kommentare auf meinen Blog als Vergleich heranziehen, könnte man glatt meinen, kein Arsch der Welt würde sich um mich scheren - was ich nie zu glauben käme!

Auf einem Blog können auch alle Arten von Fotos auftauchen. Anscheinend haben die hier unermesslich viel Platz - genug für Tausende Fotos, wenn sie wollen. Und eigentlich ganz schüchterne Mädchen gefallen sich dann in aufregender Kleidung und gewagter Pose. Obwohl sie normalerweise nicht mal einen Minirock tragen würden, aus Angst beim Treppensteigen könnte da jemand einen Blick erhaschen... (lustige Vorstellung übrigens, welcher unauffälligen Verrenkungen es männlicherseits dazu bedürfte, diesen Blick zu wagen).

Das ist nicht immer frei von Problemen und bei weitem nicht der einzige Punkt, in dem unsere Gedanken auseinander liegen.


Hierzu ein lesenswerterer Bericht, denn der ist professionell geschrieben:

http://www.zeit.de/campus/online/2007/14/studentenblogger-china?page=1


Ich höre gerade Sinéad O´Connors Reggae-Album Throw Down Your Arms und muss sagen, es ist erstaunlich gut! Interessant, vor allem bei der Hintergrundgeschichte der Frau!



Der Ritus des Höflichseins


Ein Lapsus der weiteren Art unterläuft mir dank meines Charakters am laufenden Band und kreiiert unangenehme Situationen besonders wenn eine Person nicht mit mir vertraut ist.

Klar sind die Chinesen höflich, doch nicht unbedingt, und ich würde es auch nicht immer als höflich bezeichnen, denn einige würden dir ohne weiteres aufs Maul hauen, wenn du sie nur etwas zu lange angeglotzt hast. Es ist vielmehr eine gewisse Form der Höflichkeit, die sich nicht weiter um Realität und Wahrheitsgehalt des Ausgesprochenen kümmert. Wichtig ist, sein Gegenüber zu komfortieren. Nur so erreicht man etwas.

Konkret heißt das, dass man sich in wichtigen Konversationen erst durch ein ermüdendes Labyrinth von gegenseitigen Komplimenten und Liebenswürdigkeiten winden muss, bevor man fast in einem Nebensatz nur zum eigentlichen Punkt kommt. Dies drückt sich ebenfalls in alltäglichen Begegnungen aus. Ich muss noch nicht viel gesagt haben, mein Gegenüber wird aber in jedem Fall schon mein Chinesisch gelobt haben (selbst wenn es unsäglich wäre). Tatsächlich hinterlässt das Spuren - wer fühlt sich nicht gern geschmeichelt? -, jedoch ist die Reaktion mindestens genau so wichtig. Zu meinem Glück wird von einem Ausländer schon erwartet, dass er in der chinesischen Höflichkeit nicht sonderlich bewandert ist. Besonders wenn mich die Müdigkeit plagt, ist mir jede Form von Höflichkeit aber ziemlich egal. Ob einige Taiwanesen das manchmal als Affront sehen... Da bin ich mir fast sicher.

Die Mutter meiner Freundin brachte das ziemlich genau auf den Punkt. Ich bin direkt und finde nichts schlimmes daran. Meine Freundin denkt jedoch zuviel darüber nach, was ich sage und zieht manchmal Schlüsse hin zu wesentlich schwerwiegenderen Umständen, was aber nicht im Geringsten meine Absicht war. Das Resultat ist dann, dass sie sehr down wird, vieles in Frage stellt, mir aber nicht unbedingt sagt, dass sie so traurig ist (eine anderes chinesisches Problem: das der Gesichtswahrung, einen anderen nicht um seine Schwachpunkte oder Gefühlswallungen wissen zu lassen). - Dabei muss hier jedoch eingeworfen werden, dass meine Freundin einerseits sehr tapfer ist (ich weiß, dass ich manchmal schwer erträglich bin) und zum anderen auch nicht furchtbar chinesisch (sonst hätten wir wohl Probleme ohne Ende, ihre Eltern würden es generell nicht erlauben, und wir wären gar nicht erst zusammen), sondern sehr rational, besonders in jedem Fall. -

Ihre Mutter machte mich aber nun eines Abends beim Essen darauf aufmerksam, dass ich nicht so ohne weiteres drauflosreden könnte wie mir grad der Mund gewachsen ist. Ich müsste ja vor allem die Leute einkalkulieren, die meine Rede für bar nähmen, und welche Reaktionen das bei ihnen auslösen könnte. Und sie zeigte mir gleich, wie man in China z.b. Kritik so anbringt, dass man sein Gegenüber nicht verletzt und gleichzeitig was damit erreicht.

Obwohl sie einen wunden Punkt berührte und mir klar machte, dass ich so nicht reden könnte, gab sie mir trotzdem immer das Gefühl, dass sie in mir trotz allem eine tolle Persönlichkeit sähe und sie mich wie einen Sohn liebe. Und ich bin überzeugt, dass es ehrlich gemeint war. Sie machte immer wieder Späße zwischendurch, was die durch meine Verlegenheit gedrückte Stimmung aufheiterte. Sie erzählte, dass man einen Menschen zuerst einwickelt, ihn ein wenig komplimentiert, die guten Seiten herauspoliert, um dann hinterher zu schieben, "aber dein Furz gerade eben hat ganz schön gestunken".

Und das alles sagt man mit einem Lächeln auf den Lippen und einer Selbstgewissheit, die auch ein Lustigsein in solch einer schwierigen Situation ermöglicht. Erst so erreicht selbst ein unangenehmes Gespräch eine lockere Atmosphäre und wird letztlich zum Erfolg.

Eines muss man ihr lassen: Reden kann die Mama wirklich. Und sie hat eine sehr positive, herzliche Ausstrahlung. Ja, ich bin glücklich für solch eine Familie.



Hund vs. Schwein


Letztes Wochenende war verlängert, es gab noch extra Ferien wegen des Drachenbootfestes am Dienstag.

Neben ausführlicher Ruhepause waren wir auch aktiv, wir nutzten den Montag zu einem Besuch in Yingge, wo unheimlich viel Keramik hergestellt wird, es eine nette Alte Straße mit vielen Geschäften gibt und man sich auch selbst am Töpfern probieren kann.

Am Dienstag wollten wir dann das Finale der Drachenbootrennen in Taipei verfolgen, kamen aber natürlich zu spät - die Abschlussparty samt "heißen" HipHop-Tänzerinnen wollten wir uns dann nicht geben - es gibt ja kaum einen konservativeren, unsexieren Tanz als diesen Möchtegern-Hot-HipHop in Camouflage-Hosen und übergroßen Baseball-Cäppies - mein Gott, wo sind wir nur angelangt?! Da ist ja Pogo mehr sexy!

Jedenfalls nutzten wir den schönen Nachmittag und die nachlassende Hitze zu einem Spaziergang in diesem Park im Norden Taipeis, der (weil ohne Bäume) eigentlich als riesige Wiese bezeichnet werden müsste. Und außer den üblichen Verdächtigen, also Unmengen von Hunden aller Couleur vom sich totschwitzenden Husky bis zum in seinem Verhalten eher einem Pferd ähnelnden Chiwawa und "baichi waiguoren", weißen Ausländern (da im Norden Taipeis = teuer, Luxus, Ausländer) und tonnenweise Deutsch (wo arbeiten die nur alle?), gab es auch eine kleine Überraschung. Wir befanden uns an einem großen Becken, knietief mit Wasser vollgelassen. Allerdings würde ich da niemals meine Füße reinhalten, denn außer der üblichen Kleinkinderpisse bewegten sich noch sämtliche der erwähnten Vierbeiner in dem Wasser. Aber das Schärfste kommt noch: Tatsächlich kam eine Familie mit drei rosig-schwarz-gefleckten Schweinen und packte die dann auch noch ins Wasser, was die Hunde zur Raserei trieb.

Nun sind taiwanesische Hunde scheinbar genetisch bedingt scheu und können zwar kläffen, haben jedoch unheimlichen Schiss vor uns Menschen. Das heißt, so richtig trauten sie sich auch nicht an die Schweine ran, immer nur an den Hintern zum Schnüffeln und der eine Hund folgte einem Schwein beharrlich und überallhin, begleitet von seinem heiseren, geplagten Bellen. Der Höhepunkt kam, als es einem Husky zu bunt wurde und er versuchte, ein Schwein umzubringen. Sich davon auch nicht abbringen ließ, als der Schweinsbesitzer es in seine Arme nahm und versuchte, dem Hundsvieh Angst zu machen. Zu guter Letzt mussten die Schweine also aus dem Wasser. Aber bis dahin hatten die Kinder aber einen Mordsspaß. Das war eine Show!

Aber warum man Schweine als Haustiere halten sollte, geht mir nicht auf. Gut, wir haben ja jetzt einen kleinen Hasen, aber der ist richtig süß, nur nervig, wenn er wieder eingefangen werden soll und zurück in seinen Käfig.


Dazu fallen mir noch zwei Absonderlichkeiten ein: Zum einen ist das Schwein in China ein Glückssymbol. Es steht für Reichtum und Fruchtbarkeit. Ich bin im Jahr des Schweins geboren, kein Wunder, dass ich mein Lebtag immer so vom Glück begünstigt wurde!

Und zum Hasen: Die Chinesen finden es barbarisch und können kaum glauben, dass wir so ein niedliches Tierchen ruhigen Gewissens zu essen vermögen...